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Purpur Edition Blog Surreal

15.05.2020 | Wenn Surreales real wird

Wie ich acht Wochen, in global auferlegter Quarantäne erlebte – ein persönlicher Eindruck von einer aussergewöhnlichen Zeit.

Bäm, und auf einen Schlag hiess es fast überall auf der Welt: Lockdown! Wie bitte, was? Der Lockdown, zu Deutsch die Ausgangssperre wurde zu einer Art Selbst-Quarantäne für die meisten. Das hiess: ab Mitte März 2020, ausgelöst durch das weltweit wütende Covid-19-Virus, waren wir alle mit uns allein zuhause. Nicht Systemrelevantes musste den Laden in den kommenden acht Wochen dicht machen. Man arbeitete und lernte fortan daheim. So gab es Homeoffice und Homeschooling für alle. Diesen aussergewöhnlichen Ausnahmezustand erliessen die Regierungen auf Empfehlung ihrer Gesundheitsbehörden, welche von der Weltgesundheitsorganisation WHO dazu angehalten wurden. Relativ vereinfacht gesagt, ich weiss.

Soziale ungezwungene Offline-Begegnungen waren in der Zeit nicht mehr möglich. Es herrschte Körperkontakt-Verbot. Die Menschen wurden einander zusehends noch fremder. Während die Natur zu ihrer Höchstform aufblühte und die Vögel um die Wette zwitscherten, waren am Himmel keine Flugzeuge mehr zu sehen und die Strassen leergefegt. Die Busse und Züge fuhren passagierlos in vermindertem Takt. Der Chauffeur fristet ein noch einsameres Dasein in seiner nun abgesperrten Cockpitzone – ein rot-weisses Band sorgt nach wie vor dafür.
Irgendwie völlig surreal, was da abging, fand ich oft im ersten Moment, um mich im zweiten auf meine Art damit zu arrangieren. Zum Glück wohne ich im Grünen, und also sind Spaziergänge stets in Griffnähe. Doch wehe, man kreuzte den Weg von anderen Menschen, also potenziellen Virenträgern. Da sprang manch einer und manch eine schon mal zwei Meter den Hang hoch oder hinab ins Unterholz. Grad eben so, dass der Sicherheitsabstand beim gegenseitigen Passieren eingehalten werden konnte. Das wirkte mitunter ziemlich verstörend. Als ob man sich gegenseitig nur in aller Höflichkeit erschrecken wollte, grüsste man Hinz und Kunz fast schon übereifrig. Als Naturfreak und Tierfreundin begegneten mir auf meinen Streifzügen in jener Zeit aber nicht allzu viele Zweibeiner. Ab und zu kam ein Hund mit Mensch des Weges. So auch an jenem späten Nachmittag unterhalb des Schönbergs. Schon wollte ich den kontaktfreudigen Vierbeiner ebenfalls freudig begrüssen, als die Halterin mir zurief: «Nicht streicheln, sonst muss ich ihn daheim wieder waschen!» Das wollte ich natürlich nicht und hielt mich beflissen zurück.
Oder im Dorfladen, als mir eh schon ein Miesepeter, knapp unter 65, vom Gemüseregal her entgegenschleuderte: «Nicht näherkommen, Sie missachten die Abstandregel!» Auf meine Frage, ob es ihm gutginge, wollte er nicht so recht eingehen. Ich blieb freundlich und wünschte ihm einen schönen Tag und beste Gesundheit. Autsch, ertappt: Menschenfeinde werden in Zeiten wie diesen noch eine Spur bissiger. Und nicht wenigen liegt das Denunzieren und das Zurechtweisen einfach im Blut, welches durch Corona richtig in Wallung geriet. Manchmal war ich froh, wieder daheim in meinen eigenen vier Wänden zu sein. Draussen konnte es anstrengend und sehr absurd werden. Trotz der aktuellen Lockerung des Lockdowns ist es immer noch – vor allem im öffentlichen Raum – angespannt. Die Energie ist spürbar abwartend, die Schwingung massiv erhöht. Die Natur ist einmal mehr der Schlüssel zur Wahrheit, zum Einfachen und also zum Wesentlichen.

Wie wird das noch werden mit uns? Ob dabei nicht eine Restdistanz hängenbleiben wird? Kann künstliche Intelligenz die damit verknüpften Nebeneffekte lösen? Begegnen wir uns alle bald nur noch in einer realistischen Computersimulation? Wie lange dauern diese Verhaltensvorschriften und Freiheitseinschränkungen noch an? Mit welchem Ziel..? Wann schaffen wir den Individualverkehr ab? Oder verbieten den Alkohol? Wie verdiene ich morgen meine Brötchen? Was wird diese sagenhafte Unsicherheit und Angst noch alles hervorbringen?

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