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24.12.2023 | Zeit statt Zeug – eine Weihnachtsgeschichte

Clara und Lena sitzen im vorweihnächtlich überfüllten Bus und starren abwesend auf die tanzenden Lichter der Stadt. Clara seufzt und sagt:

"Weihnachten, diese Zeit des Geschenkekaufs und Schlemmen im Überfluss. Ich frage mich manchmal, ob so das Schenken Sinn macht."

Lena lacht. "Ich meine, ich liebe Geschenke, aber der Stress und das Gedränge in den Geschäften? Das ist doch verrückt!"

Clara nickt zustimmend. "Stimmt, aber andererseits macht es Spass, jemandem eine Freude zu bereiten. Aber was ist mit den sinnlosen Geschenken? Oder: Wer braucht schon einen sprechenden Kaktus?"

Lena lacht lauthals. "Ich hatte mal einen! Er hat nach einer Weile nur noch geplappert. So habe ich ihn irgendwann aus dem Fenster geworfen."

Clara schmunzelt. "Vielleicht sollten wir uns nur noch Erlebnisse schenken. Oder Zeit - sie ist unbezahlbar und sowieso das Wertvollste, was es gibt."

Lena nickt. "Einverstanden: Zeit statt Zeug. Aber wie verpackt man Zeit?"

Clara überlegt kurz. "Vielleicht in einen magischen Uhranhänger? Wenn man daran dreht, hat man plötzlich einen Tag mehr in der Woche oder weniger, je nach dem, was man gerade braucht."

Lena lacht wieder. "Fantastisch! Aber ernsthaft, ich denke, die besten Geschenke sind die, die von Herzen kommen. Etwas, das zeigt, dass du die Person wirklich kennst."

Clara stimmt zu. "Stell dir vor, jeder würde nur noch selbstgemachte Geschenke schenken. Die Welt wäre voller handgestrickter Socken und selbstgemalter Kunstwerke."

"Oder voller verkohlter Plätzchen", fügt Lena grinsend hinzu. "Aber im Ernst, das wäre schön. Weniger Stress, mehr Herz."

Die beiden Frauen schauen aus dem Fenster und sehen, wie der Bus durch die lichterfüllte Stadt fährt.

"Vielleicht sollten wir das wirklich tun", schlägt Clara vor. "Lasst uns dieses Jahr nur selbstgemachte Geschenke verschenken. Was hältst du davon?"

Lena lächelt. "Deal! Und wenn ich einen sprechenden Kaktus bekomme, weiss ich, dass du einen loswerden wolltest."

Die beiden Freundinnen lachen und steigen aus dem Bus, bereit, die festliche Jahreszeit mit Selbstgemachtem und einer Prise Humor zu krönen.

Clara und Lena verfallen nun vollends dem Bastelfieber. Und es vergehen einige Wochen, in denen sie fleissig stricken, malen und backen. Die derartigen Geschenke türmen sich in ihren Wohnungen, als hätte ein kreativer Wirbelwind hindurchgefegt.

In einer verschneiten Dezembernacht sitzen die beiden Freundinnen wieder im Bus, auf dem Heimweg von einem Weihnachtsmarkt. Sie tauschen Geschichten über ihre selbstgemachten Geschenke aus und lachen über misslungene Bastelversuche.

Plötzlich spüren sie einen unerklärlichen Ruck im Bus. Die Lichter flackern, und zeitgleich erfüllt ein grelles Glühen den Innenraum. Verwundert blicken Clara und Lena sich an, als der Bus mit einem Stoss stehenbleibt.

Da öffnen sich die Türen, und herein schwebt eine geheimnisvolle Gestalt in einem schillernden Umhang. Mit einem zauberhaften Lächeln verkündet sie: "Ihr beiden habt den Geist des Selbstgemachten wiederbelebt und damit dem Weihnachtszauber eine neue Kraft verliehen."

Clara und Lena starren die mysteriöse Fremde an. "Wer bist du?", fragt Lena, während Clara sich an ihrem Sitz festklammert.

"Ich bin die Hüterin der Weihnachtszeit", sagt die Gestalt mit einem Augenzwinkern. "Eure selbstgemachten Geschenke haben eine so starke Magie, dass sie einen Zeitsprung ausgelöst haben."

Die beiden Frauen tauschen einen verblüfften Blick. Die Hüterin der Weihnachtszeit führt sie nun aus dem Bus, und plötzlich finden sie sich in einer malerischen, von Kerzen erleuchteten Weihnachtswerkstatt wieder.

"Willkommen im Wunder-Weihnachtsland!", verkündet die Hüterin.

Clara und Lena entdecken hier auf wundersame Weise, wie ihre selbstgemachten Geschenke sich in magische Portale zu den schönsten Momenten der Vergangenheit verwandeln. So wird ein handgestrickter Schal zum Symbol der Wärme in einer längst vergessenen Winterlandschaft, und ein selbstgemaltes Bild führt zu einem Moment des Lächelns in der Kindheit zurück.

Die beiden Frauen erleben, wie ihre Geschenke Freude und Erinnerungen in die Herzen der Beschenkten zaubern. Am Ende ihrer starken gemeinsamen Vision kehren sie mit einem Lächeln und mit viel Weihnachtszauber in ihre Zeit, und also ins Präsens zurück. Als der Bus auch für sie wieder weiterfährt, erkennen Clara und Lena, dass ihre selbstgemachten Geschenke nicht nur materielle Gaben, sondern auch magische Schlüssel zu unvergesslichen Momenten sind. Und so feiern sie in diesem Jahr Weihnachten nicht einfach mit irgendwelchen Präsenten. Vielmehr finden sie zusammen mit ihren Liebsten den Zugang zum fortwährenden Jetzt, hinein in eine mystische Zeitreise, welche ihre Herzen für immer verändern wird.

Übrigens: Das Wort "Präsent" stammt aus dem Lateinischen - "praesens", was so viel bedeutet wie "anwesend" oder "gegenwärtig". Im Laufe der Zeit wird das Wort im Deutschen hauptsächlich als Synonym für "Geschenk" verwendet. Und Hand aufs Herz: Möglicherweise machen wir uns auch in heutiger Zeit mit Gegenwärtigem das grösste Geschenk.

Publiziert im Sigriswiler Anzeiger: am 22.12.2023

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